Sie liessen Rinder im Kot stehen, horteten Pferde oder hielten mehr Schweine als erlaubt: Das sind die bekanntesten Fälle von Tierquälerei der Ostschweiz aus den letzten zehn Jahren. Sie zeigen, wo Tierhaltung versagt – und was sich ändern müsste.

Inhaltsverzeichnis
- 1. Der Fall Ulrich K.: Pferdehofskandal in Hefenhofen
- 2. Bis zu den Sprunggelenken stehen Rinder im Kot
- 3. Eine Frau hortet Rösser und hinterlässt eine Schuldenspur
- 4. Vater und Sohn manipulieren das Meldesystem
- 5. Kälber sterben im Namen der Ideologie
Das St.Galler Veterinäramt überwacht die Viehhöfe und 51 Schlachtanlagen im Kanton. Die Behörde verzeichnet im Jahresbericht 2024 regelmässige Mängel bei den Kontrollen in kleineren Betrieben. Am häufigsten beurteilen Kontrolleure den Gesundheitszustand des Viehs als mangelhaft. Zudem beobachtet das Amt verschmutzte Stallplätze sowie einzelne Verstösse gegen Transportvorschriften.
Im vergangenen Jahr zeigte das Amt insgesamt 139 Tierschutzverstösse an – fast 60 mehr als zwei Jahre zuvor. Im Appenzellerland deckt das Veterinäramt zwischen 50 bis 90 Mängel im Tierschutz auf. Im Kanton Thurgau gingen 2024 beim Veterinäramt 262 Tierschutzmeldungen ein – genauso viele wie im Vorjahr. Obwohl es aufgrund prominenter Tierschutzverstösse scheint, als gäbe es in der Ostschweiz besonders viele Fälle im landesweiten Vergleich, ist dies nicht der Fall. Das zeigt der Blick in die Statistik.
Sascha Quaile, Kantonstierarzt der beiden Appenzell, bestätigt das und sagt: «Was sich mit Hefenhofen geändert hat, ist die öffentliche Wahrnehmung.» Mit Smartphones verbreiten Bürgerinnen und Bürger die Bilder rasch im Netz. Das macht Verstösse sichtbar – verhindert Einzelfälle aber nicht, sagt Quaile. Die folgenden fünf Tierleid-Fälle erschütterten die Ostschweiz besonders.
Der Fall Ulrich K.: Pferdehofskandal in Hefenhofen
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Thurgauer Landwirt Ulrich K. Tierquälerei in über 500 Fällen vor. Hefenhofen gilt als einer der grössten Tierschutzfälle in der Schweizer Geschichte.

Ulrich K. hielt 100 Rösser, 200 Rinder, Schweine, Schafe, Lamas. Als Polizei und Militär 2017 den Hof räumten, lagen tote Pferde im Stroh. Tierärzte mussten Tiere einschläfern oder notschlachten. Die übrigen beschlagnahmte das Veterinäramt. Was blieb, war Entsetzen – und die Frage, warum niemand früher handelte.
Kritiker warfen den Thurgauer Behörden vor, jahrelang weggeschaut zu haben. Belege zeigen, dass Ulrich K. bereits seit den 2000er-Jahren gegen das Tierschutzgesetz verstossen hatte. 2017 setzte die Thurgauer Kantonsregierung eine Untersuchungskommission ein. Sie stellte Versäumnisse bei den Behörden fest.
Das Bezirksgericht Arbon verurteilte 2023 Ulrich K. und zwei beteiligte Metzger in erster Instanz. Er wurde wegen mehrfacher Tierquälerei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. 2025 bewertete das Obergericht Thurgau neue Beweise als zulässig und gab den Fall zurück nach Arbon. Das Bezirksgericht rollt seither den Prozess neu auf. Der Ausgang ist offen.
Tierschutzorganisationen bezeichneten das Grauen als «Glücksfall»: Landesweit habe der Fall Missstände im Tierschutz aufgezeigt und Diskussionen ausgelöst. Nachdem der Bauernhof zwangsgeräumt, von 200 Containern Müll befreit und versteigert wurde, kehrte im Dorf Normalität ein.
Robert Hess leitet das Thurgauer Veterinäramt und sagt: «Ein zweiter Fall Hefenhofen ist unter der jetzigen Leitung des Veterinäramts ausgeschlossen.» Das Amt habe sich «von Grund auf neu aufgestellt».
Zudem habe sich das neu geschaffene Recht bewährt. Das Gesetz über das Veterinärwesen, seit 2022 in Kraft, schafft laut Hess einen «effektiven, modernen und transparenten veterinärdienstlichen Vollzug» im Thurgau. Gesetzliche Verschärfungen brauche es nicht. Der Appenzeller Kantonstierarzt Sascha Quaile stimmt zu. Er sagt: «Die Tierschutzgesetzgebung nimmt Tierhaltende in die Pflicht, ihre Schützlinge vor Angst, Schmerzen und Leiden zu bewahren.»
Bis zu den Sprunggelenken stehen Rinder im Kot
Frühjahr 2024 im Kanton St.Gallen. Tierärzte öffneten die Stalltür – und erstarrten. Mehrere Kühe und Jungtiere standen abgemagert bis zu zehn Zentimeter tief in der Gülle. Drei Kühe und ein Stier litten derart stark, dass das St.Galler Veterinäramt sie schlachten liess.
Der Boden: ein Morast. Das Fell: ungepflegt. Die Trennbügel: falsch montiert. Kot und Harn verunreinigten den Stall, dem es an Stroh und Sägespänen fehlte. Auch baumelten keine Marken in den Ohren der Jungrinder – das verstösst gegen das Tierseuchengesetz. Trotz Warnungen der Behörden blieb der verantwortliche Landwirt tatenlos.
Das St.Galler Veterinäramt griff ein: Die Behörde verbat dem Bauern die Tierhaltung. Innerhalb weniger Tage musste er sein Vieh verkaufen. Wegen mehrfacher Tierquälerei wurde er zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt – mit einer Probezeit von zwei Jahren.
Eine Frau hortet Rösser und hinterlässt eine Schuldenspur
Sie sammelte Rösser, Hunde und Katzen wie andere Trophäen: Eine Thurgauer Pferdenärrin mit Haus in Hauptwil-Gottshaus pferchte über Jahre Tiere in Andwil ein und gab ihnen zu wenig Futter. Zeugen berichten von katastrophalen hygienischen Zuständen.
Vor 13 Jahren stoppten Schweizer Behörden die Sammelleidenschaft der Frau. Das St.Galler Veterinäramt beschlagnahmte 22 Pferde der damals 25-Jährigen und verhängte ein lebenslanges Tierhalteverbot. Im Auftrag der Frau kümmerte sich ein Bauer um 13 weitere Rösser in einem Stall bei Bischofszell. Doch die Frau zahlte dem Landwirt nichts für Futter und Pflege.
Wenige Monate später parkierte die Pferdenärrin 16 Rösser bei einer Pferdepension im Zürcher Oberland. Auch dort blieben Rechnungen offen. Die Frau tauchte mit Schulden in Höhe von 30’000 Franken ab. Sie wechselte die Ställe und Kontrolleure kamen zu spät.
Dem Tierhalteverbot zum Trotz suchte die Beschuldigte weiter die Nähe zu Pferden. 20 sollen es in Homburg gewesen sein, wo die Frau mit ihrem Freund von 2021 bis 2023 ein Wohnhaus mit Stall und Reithalle besass. «Der Stall war rappelvoll», erinnern sich Nachbarn.
Vor zwei Jahren verkaufte das Paar die Liegenschaft und zog nach Deutschland. Dort häufte sie Schulden von 400’000 Franken an. Gläubiger berichten von Kartons voller Mahnungen. In Rheinland-Pfalz hielt sie 81 Pferde. Ihre Hunde lebten in engen Käfigen.
Nach fünf Monaten scheiterte die neue Existenz und sie brachte einen Teil der hundert Pferde nach Vorarlberg und Frankreich. Heute soll die Pferdehorterin ein Apartment in St.Gallen gemietet haben. Auch die Episode in Vorarlberg ist Geschichte: Vor wenigen Tagen transportierte die heute 38-Jährige die letzten Rösser von dort ab – mutmasslich nach Deutschland.
Aktueller Stand: Die Pferdenärrin hinterlässt in Österreich rund 110’000 Euro Schulden – und stahl dem Pferdezüchter Heu, der auf ihre Rösser aufpasste.
Vater und Sohn manipulieren das Meldesystem
Zwischen 2016 und 2019 grunzten 4800 Schweine in einem St.Galler Mastbetrieb – 1500 mehr als bewilligt. Anstatt die Zahl zu reduzieren, erfanden die Betreiber – Vater und Sohn – ein Firmengeflecht. So steht es im Strafbefehl.

Demzufolge wurden die Ställe verschiedenen Betrieben zugeordnet und teils auf Strohleute überschrieben. Auch die Buchhalterin führte eine Scheinfirma. Zudem manipulierten die Schweinebauern das Tiermeldesystem, heisst es.
2019 schlugen Tierschutzorganisationen Alarm und dokumentierten das «traurige Leben von wehrlosen Tieren». Erst ein Jahr später geriet der Fall in die Schlagzeilen. Durch die nicht deklarierten 1500 Schweine sparten die Bauern rund eine Million Franken an Abgaben und Beiträgen.
Dies ist nun als gewerbsmässiger Betrug angeklagt. Den Beschuldigten drohen Geldstrafen. Das Gericht prüft ein Tierhalteverbot und die Schliessung des Mastbetriebs.
Kälber sterben im Namen der Ideologie
In Appenzell Innerrhoden kam 2023 ein ungewöhnlicher Tierschutzfall ans Licht: Ein Landwirt im Bezirk Appenzell fütterte über Jahre seine Milchkühe ausschliesslich mit eigenem Hof-Futter – mutmasslich aus Überzeugung. Hochleistungs-Milchkühe brauchen Energie – aber das Kraftfutter fehlte.
Weil die Diät unausgewogen blieb, litten Kühe wie Kälber. Viele Kühe erkrankten. Unter der Obhut des Bauern starben in zwölf Jahren 27 Kälber unmittelbar nach der Geburt. Das Bezirksgericht Appenzell-Innerrhoden verurteilte den Mann wegen mehrfacher Tierquälerei. Zudem habe er die Tierseuchenvorschriften missachtet.
Das Urteil sieht eine bedingte Freiheitsstrafe und eine Geldbusse vor. Der Beschuldigte reichte Berufung ein, das Urteil ist nicht rechtskräftig. Nun entscheidet das Kantonsgericht. Es gilt die Unschuldsvermutung.
